Manchmal träume ich viel und aufgeregt, bin voll Glücksgefühlen, Farben und entspanntem Lächeln und Menschen und vergesse bei Tagesanbruch dann doch wieder alles davon. Aber es bleibt manchmal ein kleiner Schatten im Gedächtnis, wie ein flüchtiger Kuss, der mich an das träumend erlebte erinnert. Wie ein warmer Duft, der aber unwiederbringlich verblasst.
Die Wirklichkeit ist schöner
Und plötzlich ist alles kein verhuschter Traum mehr: Freundliche Farben, bunte Figuren und rätselhafte Zeichen nehmen Platz an den gealterten Wänden und von Dürre gezeichnete Pflanzen wachsen aus anderen Gefäßen, als ich es je gelernt habe. Und gleichzeitig zeigen sie, auf welche vielfältige Weise eine Stadt sich begrünen und Oasen schaffen kann.
Ganz normale Menschen durchschreiten an diesem späten Sommervormittag gelegentlich mein stilles Staunen mit einem kennenden Lächeln auf den Lippen - gehen aber zielstrebig und ruhig an mir vorbei in eines ihrer Ateliers und Werkstätten oder Proberäume. Auf diesem Gelände hat Zeit eine andere Bedeutung gefunden. Und ich habe wieder gefunden, was ich eigentlich vergessen hatte und erwache unweit des Bremer Hauptbahnhofs auf einem alten und zeitweilig stillgelegtem Güterbahnhofsgelände inmitten meines Traums.
Das lästige Glück: Die Bahnschranke
An beiden Längsseiten des Güterbahnhofs laufen immer noch vielbefahrene Gleise der Bahn und die einzige Zubringerstraße wird von ständig auf- und abgehenden Schranken regelrecht regiert. Wäre sie nicht, das Gelände des Güterbahnhofs wäre sicherlich schon längst gewinnbringend an Investoren verkauft. Was für ein Glück für die Kunst.
Das Außen
Jeder Blickwinkel alleine schon von außen stillt meinen Durst nach dem, was die Menschen der Neuzeit, wie ihre Vorfahren einst, an den Wänden hinterlassen haben: Ihre Malereien waren schon immer die ehrlichsten Zeugen der Epoche.
Es sind Geschichten, es sind fremde Tiere, wie Menschen und ihre Sätze, die sie in unserer Zeit normalerweise sprechen. Oder widersprechen. Und wo finden wir schon so viele und ehrliche Erzählungen der Wirklichkeit? Eher bei Künstlern.
Wenn es jemals wichtige, ehrliche und schöne Wandmalereien der Menschen im Norden, so nahe der Küste gab oder geben wird, so sind sie hier in dieser großen Welt der vergangenen Eisenbahn zu finden, in den umgebauten Lagerschuppen und Schreibräumen, in denen seit einigen Jahren die Nervenbahnen der Kreativen zusammenlaufen.
Die Anfänge nach dem Ende
Als die Bundesbahn den früheren Güterbahnhof nicht mehr benötigte, fiel er zunächst in den Dornröschenschlaf, Pflanzen und Büsche wuchsen aus dem Pflaster des großen Vorplatzes und Regen begann durch die Dächer zu dringen. Seit 1997 schon arbeiteten vereinzelt die ersten Künstler auf dem Gelände, bis schließlich der Verein 23 zum Generalmieter des 36.666 qm großen Areals wurde.
Das Alles: Der Verein 23
„Der Verein 23 zur Förderung intermedialen Kulturaustausches e.V. ist als gemeinnützig anerkannt und politisch unabhängig. Er fördert künstlerische Aktivitäten jeglicher Art und bringt sie der Öffentlichkeit nahe. Der Verein pflegt den Austausch mit lokalen, regionalen und globalen künstlerischen Institutionen, Initiativen und Weiterbildungsprojekten. Der Verein gibt Druckwerke und Tonträger heraus, organisiert Lesungen, Performanceveranstaltungen, Ausstellungen und Konzerte.“
„Der Verein 23 vermietet Arbeitsräume an Künstler*innen, Musiker*innen, Kulturschaffende sowie künstlerisch-kulturelle Projekte. Freie Ateliers werden öffentlich ausgeschrieben. Für zeitlich begrenzte Projekte und Veranstaltungen können das Tor 40 sowie Bereiche der Gleishalle gemietet werden.“
Das Innen
„Der Verein 23 vermietet Arbeitsräume an Künstler*innen, Musiker*innen, Kulturschaffende sowie künstlerisch-kulturelle Projekte. Freie Ateliers werden öffentlich ausgeschrieben. Für zeitlich begrenzte Projekte und Veranstaltungen können das Tor 40 sowie Bereiche der Gleishalle gemietet werden.“
Ich hoffe, das die Bremer Gesellschaft dieses gewaltige Kunstereignis anerkennen kann und ihm den einzigen Tribut zollen, den es dafür gibt: Respekt, Erhalt und Förderung. Denn es ist der wahrscheinlich schönste, interessanteste und ehrlichste Platz der Stadt.
Safe the date: Offener Tag am Samstag, den 17. September 22
Am kommenden Samstag können Interessierte alle Gebäude, Ateliers und Werkstätten besuchen, die Künstler sind da und freuen sich, ihre Welt zu zeigen. Es gibt Musik, experimentellen Tanz, Bildhauerei, Malerei und Ausstellungen. Kulinarisch winkt eine italienische Bar, die Falafel Queen und die Bar des Güterbahnhofs.
Näheres über das Kunstareal Güterbahnhof auf: https://gb-bremen.de
Thomas Damson
Sommer 2022
AMWASSER fotoblog: Leben im Norden. Leben am Wasser. Von Sonne, Wind und anderem. Professionelle Fotografie. Ehrliche Geschichten. Das echte Leben.
Hallo Thomas, schön wieder einen Blog von dir zu lesen, ich freue mich immer von dir schöne Fotos und Eindrücke aus Bremerhaven und Umgebung zu lesen.
Jedoch mit diesem Projekt: "Bremer Güterbahnhof", sehe ich es ein wenig anders. Dort sieht es schon extrem heruntergekommen aus. - War ein paar mal dort. Stupide Graffiti Schmierereien überall, ohne Sinn und Verstand... - Kommt natürlich sofort die Frage auf, wer bezahlt eigentlich das ganze "Groß Kunstobjekt" dort, kann man davon leben? Hier in Ostafrika mache ich mir schon einmal so meine Gedanken ! Trotzdem vielen Dank für deine, wiedereinmal tollen Fotos. Beste Grüße aus Tansania.