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Meine Lieblinge. Oder eher viele Likes?

Die Pandemie war Anlass für mich, seit Februar diesen Jahres auch auf Instagram Fotos zu posten. Zu lernen gab es technische Dinge, also wie kriege ich meine professionell erstellten Fotos auf einer Plattform für Handyfotos veröffentlich? Erledigt. Mit welchen #Tags versehe ich die Bilder um sie unter diesen finden zu lassen? Immer noch in Arbeit. Jedenfalls kostet es mehr Zeit als jedes Foto einschließlich aufwändiger Bearbeitung.



Interessante Frage: Wer liked meine Fotos?

Hier geht es auch um Anerkennung meiner Fotografie in Zeiten der Pandemie. Gibt es in diesen einsamen Zeiten mit Ausgangssperren eine eventuell sogar wohlwollende Anerkennung meiner Existenz? Gibt es mich überhaupt noch?



Drei Erkenntnisse haben sich mir aufgetan:


1: Eine gleichbleibende Anzahl bestimmter, ebenfalls abonnierter Betrachter liked meine Fotos. Wenn ich auch ihre like. Es scheint auf Insta und fb ein ungeschriebenes, aber allen bekannten, Gesetz zu existieren, bei dem es um Gerechtigkeit geht: Likest du mein letztes Foto nicht, dann like ich deines auch nicht. Darum gehts.


2: Neue Likes von neuen Betrachtern entstehen nur, wenn ich in gänzlich anderen Bereichen tagge und dazu auch ganz andere Fotos hinterlege. Also zum Beispiel liken die Liebhaber maritimer Fotos eher selten Blumen- oder Landschaftsfotos. Oder doch?


Die Sekundenmedizin

Ich kenne eine vorbildlich strategisch vorgehende Bremerhavener Instafotografin, die, für ihre stets sehr einfach gehaltenen Fotografie, erstaunlich viele Abonnenten gesammelt hat. Sie postet optisch gerahmte Postkartenidylle mit den immer gleichen Schiffchenfotos in vorwiegend angenehmen Blau und -Rottönen. Das zieht sie durch! Das zweite Standbein sind Blümchenfotos und das dritte: Niedliche Tierfotos aus dem Zoo am Meer, denn putzige Eisbärchen werden gerne geliked. Auch Seehunde und Möwen sind bei ihr überall zu finden. Und im Profil nicht zu übersehen: Sie nennt sich Bloggerin. Und Veganerin. Sie fotografiert natürlich mit dem I-Phone. Sie bedient mit ihren sechzig Jahren ausschließlich Mädchenhaftes. Sie ist voll- und ganz Insta und das ist jetzt ein Kompliment an ihre fotografische Genügsamkeit, mit der sie bei Betrachtenden aber immer nur Wohlgefühl erzeugt. Sie produziert die Sekundenmedizin unseres Zeitalters. Sie ist Teil der girly girls. Und alles ist lieb.


3: Die andere Seite von Fotografie sind Fotos aus dem gesellschaftlichen Leben abseits der Party- und Tourismusmeile. Also unser tägliches Leben mit normalen Angelegenheiten, das schon gar nicht mehr wahrgenommen wird, weil es so sehr selbstverständlich dazugehört. Es ist oft unaufgeräumt und dekorationsarm. Es handelt von unseren kleinen Wünschen und Sehnsüchten. Es ist auch unser Leben, unsere manchmal vergebliche Liebe, die Freude an kleinen Welten. Und: Irgendwie ist genau dieses Leben einfach schön, weil es so wirklich, so ehrlich und unfassbar vielfältig ist!


Das eigentliche Leben im Abseits


Es handelt von diesen Fotos hier, es sind alles irgendwie meine Lieblinge und ich kämpfe hiermit gegen das Vergessen meiner geliebten und so wenig gelikten Bilder. Es ist auch ein Kampf gegen das Minutengedächtnis des Netzes. Diesen Versuch der Gerechtigkeit bin ich meinen Lieblingen schuldig.



































Thomas Damson, 2020


AMWASSER fotoblog: Leben im Norden. Leben am Wasser. Von Sonne, Wind und anderem. Professionelle Fotografie. Ehrliche Geschichten. Das echte Leben.





3 Comments

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Ingo Meier
Ingo Meier
Mar 05, 2022

ich würde mich sehr über mehr Fotos freuen, die diese Kraft deiner Serie "Zeitgeist und ich" hat. Allein der Name dieser Sammlung trifft mein Interesse und damit den Nagel auf dem Kopf. Likes sind der Beifall im Internet! Auf den sollte man nicht verzichten wollen, erst recht dann nicht, wenn er berechtigt und keine Gefälligkeit ist. Beides voneinander zu unterscheiden ist nicht immer leicht. Deine Aufnahmen verfolge ich bereits länger bei Facebook und habe sicher auch schon das eine oder andere "gefällt mir" hinterlassen. Ich bin damit aber sparsam, und nur für Fotos, die mir gefallen bzw. etwas sagen, also ansprechen. Es gibt viel Massenware, die alle für sich toll sind, das können auch Blumen- oder Möwenfotos sein, aber schon…

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peterwinter5772
Oct 05, 2021

Es heißt, Beifall ist das Brot des Künstlers. In einer so schnell lebenden und sich verändernden Welt kann man jetzt fragen, sind Likes der Beifall des Künstlers in dieser ach so modernen Welt? Geht es sogar soweit das man zu Gunsten von vielen Likes sein bisheriges Verständnis von Kunst egal welcher Art, bewusst oder unbewusst verändert? Ich meine aus Sicht des Künstlers. Meine Meinung dazu ist, daß der Künstler, wenn er sich auf dieses Likes Erhaschen hergibt, die Gefahr gegeben ist das er zum Judas seiner eigenen Kunst wird. Ich möchte es vergleichen mit den vielen Facebook Freunden. Der Begriff Freunde wird hier entwürdigt. Ich möchte keine oberflächigen Freunde. Von mir aus sind es halt Facebook Bekannte. Wobei selbst d…


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Thomas Damson
Oct 05, 2021
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Hallo Peter,


vielen Dank für deine schönen Komplimente und deinen Einsichten, die ich komplett teile. Du hast mich richtig eingeschätzt. Das größte Kompliment für meine Fotografie ist dein Erzählung, was sie mit dir macht. Ich finde: Mehr geht nicht als jemanden damit auf die Reise zu schicken. Vielen Dank für deine Offenheit.

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