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Endlich die ganze Wahrheit über die Seute Deern

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Seute Deern Bremerhaven

Ordentlich gebaute Holzschiffe wurden Anfang des letzten Jahrhunderts in der Regel für dreißig Jahre Betriebszeit gebaut – mehr war nicht drin. Aber ausgerechnet die 1919 gebaute Seute Deern war aus sich stark verziehendem, ungetrocknetem, amerikanischem Sumpf-Kiefernholz ein im Staat Mississippi billigst und untauglich zusammengefügtes Schiff, das sofort von Beginn an durch Verziehen des Rumpfes und Schiffsbohrwurmfraß ständig undicht war, stetig gelenzt sowie nach jeder Fahrt repariert werden musste! Aus heutiger Sicht ein äußerst geringwertiges Wegwerfschiff aus einem Holz, von dem man heute eher Sperrholz, Zellstoff und Holzpellets herstellt.


Aber wie durch ein Wunder kam das ständig mit spitzen Fingern durchgereichte ehemalige Holztransportschiff nach Europa. Zwischendurch war es aufgrund seiner Undichtigkeit in Emden schon einmal auf den Grund des Hafens gesunken oder wurde als Hotel sowie als Restaurantschiff umgebaut. Sie wurde wegen der exorbitanten Unterhaltskosten weiterhin möglichst bald weitergereicht und landete 1966 in Bremerhaven, um schließlich 1972 ans DSM (Deutsche Schifffahrts Museum) geschenkt zu werden mit umfangreichen monetären Garantien der Schenkenden.


Ein erst nachträglich erstelltes Gutachten aus dem Jahr 1976, ein Jahr nach Eröffnung des DSM, belegt, dass das gesamte Deck inklusive Decksbalken, die Außenhaut, der Heckspiegel und Teile der inneren Strukturen verrottet waren. Die damalige Schätzung belief sich auf 32 Millionen Euro. Sie befand sich also damals schon auf ihrem direkten Weg zum Totalschaden. Übrigens durften dennoch auf dem sicherlich schon weitgehend von Holz zu Schwamm gemoderten Schiffsrumpf und nur noch von mittlerweile sechs laufenden Lenzpumpen über Wasser gehaltenem Schiff, feiernde Gäste aus- und eingehen, die sicherlich auf die bedingungslose Tüchtigkeit des Schiffes vertraut haben. Welcher Trugschluss!

Spätestens nach dem Ausbleiben des kommunalen Geldsegens infolge des wirtschaftlichen Niedergangs der 80er hätte im Laufe der darauffolgenden Jahre das völlig blauäugig gemachte Finanzierungsversprechen bei der „Schenkung“ der Seute Deern an das DSM eine umfassende Neukonstruktion der Finanzierung und Organisation der wachsenden Museumsflotte notwendig gemacht. Stattdessen regierte über Jahrzehnte weiterhin das romantisch-maritime Herz der Stadtprominenz über das weiterhin nicht vorhandene Budget. Insofern war das restliche Abwirtschaften des maroden Schiffskörpers bis zum erwartbaren Kollaps nur verständlich und konsequent. Es wäre die billigste Lösung gewesen.


Also wurde auf der kranken und später dann übelriechenden Bark gefeiert, was das Zeug hält, honorige Vereine tagten und für Hochzeiten war sie sehr begehrt. Es spülte etwas Geld in die Kasse – letztlich aber waren alle froh, dass kein Geld für den großen Werftaufenthalt da war, denn man hätte in dieser sicherlich sehr langen Zeit nicht mehr feiern können. Ich habe tatsächlich „alle“ geschrieben.

2018 kommt nach langer Vorarbeit unter der neuen Geschäftsführenden Direktorin des DSM, Prof. Dr. Sunhild Kleingärtner vom Bund endlich die sehr späte Zusage, die geschätzten Sanierungskosten von 32 Millionen „in Aussicht“ zu nehmen. Der Rest vom Fest - ist bekannt.


Bei Betrachtung der sehr unglücklich angelegten Geschichte des historisch bis zur Unkenntlichkeit verbauten Holzfrachters fällt die gelegentlich lautstarke und sehr geschlechtsbegründete Schuldzuweisung weniger alter Männer gegenüber der Geschäftsführenden Direktorin auf. Sie trat aber erst seit 2013 in die Geschichte Bremerhavens und des 40 Jahre lang stark heruntergewirtschafteten DSM ein, als von der Decke noch tropfendes Wasser mit Eimern aufgefangen werden musste.


Als Professorin für Schifffahrtsgeschichte und Maritime Archäologie im Nord- und Ostseeraum überzeugte sie mit fulminanter beruflicher Leistung. Und sie macht auch in Bremerhaven ihren Job mit Erfolg, der heißt: Durch erfolgreiche Forschungsarbeit und Vermittlung in der Öffentlichkeit (Auftrag des Leipnitz Instituts) sorgt sie federführend für die zukünftige Finanzierung des DSM mit maritim-wissenschaftlichen Auftrag und hält das DSM, „mittlerweile Forschungsstätte von nationaler Bedeutung“, als Mitglied im Leipnitz-Institut.


Wohin kanns gehen? Vielleicht sollte die Museumsflotte ausgegliedert werden in einem zu gründenden Verein „Schiffsmuseum Bremerhaven e.V.“ mit dem definierten Auftrag: Technischer Betrieb, Instandhaltung und erfolgreiche Organisation der Besichtigungen. Dazu gehört die Stelle eines Schiffsbauers mit kaufmännischem Hintergrund und Lust an maritimem Marketing. Eine Frau? Warum nicht? Aber diesmal bitte mit belastbarem Finanzierungskonzept der Instandhaltung samt finanzieller Ausstattung.


Im Museumshafen würde es dann nach Pommes, Kaffee und Hering riechen, das Riesenrad und die nachgebaute Najade sowie eine obligatorische Ramsch- und Fressmeile würden auch irgendwie reinpassen und das Ganze würde mit viel Rumms endlich richtig Spaß machen!

Und das DSM kann parallel seiner historisch anspruchsvollen Arbeit nachgehen: Urgeschichtlich Forschungsergebnisse und die Geschichte des Lebens an der Küste der Öffentlichkeit in moderner Art und Weise zu präsentieren und Gespräche darüber zu suchen. Und wenn erst das von Hans Scharoun, dem berühmten Architekten und Bremerhavener Sohn, entworfene Museumsgebäude die langwierige Arbeit der Erweiterung und der Asbestsanierung hinter sich hat, werden sich alle Beteiligten sicherlich in den Armen liegen!


Norddeutscher Klartext: Die Seute Deern hat keinerlei historischen Wert für die Nachwelt. Sie ist durch ihre katastrophal schlechte Bauweise sowie den vielen und grundlegenden bis zur Unkenntlichkeit erfolgten Umbauten, seit ihrer Anfangszeit einschließlich der gefakten Gallionsfigur lediglich ein bastardiertes Kuriosum der Schifffahrt mit allenfalls persönlichem Erinnerungswert. Mehr nicht.

Die maritime Erkenntnis aus der Angelegenheit: Holzschiffe schwimmen solange, bis sie sinken. Die meisten irgendwann nach dreißig Jahren. Die Seute Deern hat es über hundert Jahre lang ständig und oft genug versucht. Also.


Thomas Damson / Bremerhaven im Februar 2021

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