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Die ganze Wahrheit über die Seute Deern - Teil 2

Eine überfällige Grabrede, über das liebe Geld und wie es weitergeht mit der Museumsflotte.

1: Zum Ende der Elisabeth Bandi oder Seute Deern eine ehrliche Rede am provisorischen Grab.

Niemand hat den ehemaligen Holzfrachtsegler Elisabeth Bandi seit seinem Umbau zum Hotel, später dann als Gastronomie - und Eventlocation, jemals ernsthaft als ein bedeutsames Zeugnis der maritimen Geschichte betrachtet. Es scheint mir aber, dass es das Schicksaal des ehemaligen und sehr anfällig gebauten Holztransportschiffs war, nahezu zwei Drittel seiner überlangen Lebenszeit etwas sein zu müssen, das es eigentlich niemals war: Ein langlebiges Lügengebilde.


Nach dem Umbau der Elisabeth Bandi, zuerst zum Hotelschiff und dann zur schwimmenden Eventgastronomie, die mit gekonnt montierten Fakes wie Gallionsfigur, Takelage, Tampen viel Eindruck machte. Ein Eventausstatter würde es schlicht " eine aufwändige und gelungene Möblierung" nennen. Auf der ehemaligen Bark selbst wurde auch gelogen, bis sich die Balken bogen: Unter Deck erzählte und verkaufte ab den siebziger Jahren der ehemalige Seemann Peter Gording sehr erfolgreich seine Geschichte von der angeblichen Meuterei auf der Seuten Deern, deren einziger Überlebender er gewesen sei und andere Gänsehautlegenden sehr erfolgreich. So steht im Internet selbst noch heute, sie sei eine alte Windjammer, also aus der Klasse der schnellsten je gebauten traditionellen Segelschiffe überhaupt! Dass sie dann auch noch Teil des Weltkulturerbes wäre oder angeblich unter Denkmalschutz stand, überrascht dann niemanden mehr.


Der Grund der Beliebtheit war: Die Stimmung war maritim und als Gast durfte man sich kurzzeitig der Seemannswelt zugehörig fühlen. Nebenher gab es Kaffee, Kuchen und norddeutsche Pfannengerichte. Und Hochzeiten. Der Laden brummte ohne Ende. Es war eine schöne Zeit, die nun ihr Ende gefunden hat.


Holzschiffe schwimmen so lange, bis sie sinken. Und dass der Elisabeth Bandi alias Seute Deern nicht das gnädige Schicksaal eines Grabs auf dem Grund der See irgendwo zwischen Muscheln, Fischen, Sand und Steinen mehr möglich ist, ist das traurigste an der ganzen Geschichte. Neptun kann sie nun nicht mehr zu sich nehmen.


2: Vergleich: Was hätte es den Steuerzahler gekostet, wenn es weitergegangen wäre?

Zur nachträglichen Einschätzung der beträchtlichen Summe, die vom Steuerzahler für die Eventlocation Seute Deern hätte aufgebracht werden sollen, habe ich einige aktuelle Bremerhavener Zahlen zusammengetragen. Es sind nur einige der Investitionen, wie sie in der Seestadt für 2021 und danach geplant sind:


9 Mill. Euro werden durch einen privaten Investor in die Verlängerung des Kapitänsviertels mit 30 neuen Wohnungen investiert.

10 Mill. Euro wird die STÄWOG in neun Jahren für weitere 50 Wohneinheiten im Goethequartier und der Alten Bürger aufwenden.

16 Mill. Euro kostete 2011 der Neubau der Eisarena als Trainings- und Veranstaltungshalle der Fischtown Pinguins für 4500 Besucher kosten.

20 Mill. Euro wird die STÄWOG in neun Jahren zusätzlich in 100 höherwertigere Wohneinheiten investieren.

30 Mill. Euro werden aktuell für den Neubau der Stadthalle kalkuliert. Fassungsvermögen von 4.500 bis 8.000 Gäste.

32 Mill. Euro mindestens sollte für den Neubau einer schwimmenden Eventlocation aufgebracht werden. Inventar für Gastronomie zuzüglich. Fassungsvermögen bis zu 120 Gäste.

3: Der alte Vorwurf: Das DSM könnte seinen Etat zugunsten der Schiffsflotte umschichten. Keine staatliche oder kommunale oder öffentliche Institution kann über Gelder frei verfügen oder sie einfach anderweitig verwenden. Letztlich sind aus Steuergeldern erfolgte Zuwendungen ausnahmslos immer zweckgebunden und rechenschaftspflichtig: Zum Beispiel für den Geschäftsbetrieb, die Energiekosten, Personalkosten, den neuen Decksboden usw.


Selbst der Förderverein des DSM stellt seine eingeworbenen Mittel dem DSM nur sehr detailliert und zweckgebunden zur Verfügung: Zur Sanierung von Schiff A, Reparatur von Ding B und Maßnahme zur Erhaltung von C. Genauso verhält es sich auch mit den erheblichen Zuwendungen der Leipniz Forschungs Stiftung für sein Mitglied DSM. Auch diese sind ausschließlich für die Forschung und Öffentlichkeitsarbeit bestimmt sind und können somit nicht für die Museumsflotte umgewidmet werden. Das geschieht auch nicht unerwartet, wurde das DSM 1972 mit seiner Koggehalle vorwiegend zum Zwecke der Forschung gegründet - die Schiffsflotte waren die ursprünglich die Geschenke, die man zunächst unbesehen und zu übernehmen hatte.


4: welche Mittel stehen für die Schiffsflotte tatsächlich zur Verfügung?

Die Pressestelle und die kaufmännische Leitung des DSM erklärte mir gegenüber ihre finanziellen Ressourcen für die Schiffe des Museumshafen wie folgt: "Einnahmen aus Eintrittsgeldern und im Falle der SEUTE DEERN auch die Pacht für den Restaurantbetrieb deckten in der Vergangenheit jedoch allenfalls einen Teil der laufenden Ausgaben im Museumshafen, zumal die Eintrittsgelder bewusst niedrigschwellig angelegt sind.

Die jährlichen Einnahmen im Museumshafen schwankten je nach Umsatzhöhe des Restaurants und der Besucherzahl auf den Schiffen, lagen jedoch in der Regel im mittleren fünfstelligen Bereich (also 30.000 bis 90.000 Euro / Anm. der Blogautors). Dem gegenüber standen die laufenden Kosten für den Betrieb des Museumshafens. Hierzu zählten insbesondere die Ausgaben für das zuständige Aufsichts- und Werkstattpersonal im Hafen, die Energiekosten sowie die Materialkosten für Reparaturen auf den Schiffen und an den übrigen Objekten im Freigelände."


Zusätzliche Mittel: Es ist richtig, der Förderverein des DSM sammelt sehr engagiert zusätzliches Geld für die Schiffsflotte und auch das DSM selbst macht dieses. Hierzu teilte mir das DSM mit: "In der Praxis waren jedoch immer wieder mühsam eingeworbene Spenden und Sonderzuwendungen nötig, um zumindest einen Teil der notwendigen Arbeiten zu erledigen.“


4: Wenn es einen Schuldigen bei dem über Jahrzehnte angestauten Zustand der Museumsflotte gibt, so sind dies das Land Bremen und die Stadt Bremerhaven, die sich in der Stiftungsurkunde vor 50 Jahren zum Erhalt des Stiftungsvermögens – und damit auch der Schiffe – verpflichtet haben. Norddeutscher Klartext: Sie haben dieses für die Schiffsflotte so wichtige Versprechen, bis auf wenige Ausnahmen, nahezu niemals gehalten!


Die vorläufige Rettung.

Wie geht es mit der Museumsflotte weitergeht:

"Die ursprünglich für die Sanierung der SEUTE DEERN in Aussicht gestellten Bundesmittel wurden vom Haushaltsausschuss des Bundestages 2020 auf eine Höhe von 46 Millionen Euro aufgestockt und sind für einen stählernen Nachbau des historischen Seglers NAJADE umgewidmet worden. Zuwendungsempfänger wird die Stadt Bremerhaven sein. Das DSM hat ein Konzept für eine museale Bespielung des Segelschiffes erstellt.


2021 fließen 1,3 Millionen Euro an bereits bewilligten Geldern in den Museumshafen – ein erster Schritt, um dem dortigen Sanierungsstau infolge fehlender finanzieller Ressourcen der vergangenen Jahrzehnte zu begegnen. 1,1 Millionen Euro davon sind für die Museumshafen Sanierung der ELBE 3 bestimmt und stammen aus dem Haushalt der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Weitere 200.000 Euro kommen aus dem Haushalt der Senatorin für Wissenschaft und Häfen. Hiermit werden Sanierungsarbeiten an Bord der RAU IX und am Halbportalkran finanziert.


Hinzu kommt das Engagement der „Task Force Maritim“, die weitere Arbeiten zur Pflege, Instandhaltung und Verschönerung der Schiffe übernimmt. Koordiniert werden die Arbeiten von der Bremerhavener Beschäftigungsgesellschaft Unterweser (BBU) in Zusammenarbeit mit dem DSM. Neben den Arbeiten im Hafen hat die „Task Force Maritim“ auch eine arbeitsmarktpolitische Funktion, weil so zunächst zehn Langzeitarbeitslose beschäftigt und qualifiziert werden können. Der Schwerpunkt der Tätigkeit wird 2021 auf den Schiffen RAU IX und ELBE 3 liegen" (Offizieller Pressetext des DSM, der auch in der Tagespresse so zu lesen war).


Das DSM hat hierbei folgende, nach der notwendigen Priorität entstandene Reihenfolge:


ELBE 3: Den Schwerpunkt der Arbeiten bildet eine Grundsanierung des gesamten Rumpfes und einer Erneuerung des Korrosionsschutzes und Anstrichs. Das Schiff kommt in diesem Jahr ins Dock. Stahlplatten und Spanten werden, wo nötig, ausgetauscht oder verstärkt, das Über- und Unterwasserschiff wird gereinigt und neu gestrichen. Ziel ist es, dass das Feuerschiff nach Abschluss der Arbeiten wieder von Museumsgästen betreten werden kann.

RAU IX: Die Sanierung des Peildecks steht vor dem Abschluss. In einem weiteren Schritt sollen mithilfe der bewilligten Mittel die Holzplanken an Deck aufgearbeitet werden. Am benachbarten Halbportalkarn wird der Ausleger saniert. Dies kann mit den bewilligten Geldern finanziert werden. Darüber hinaus muss das Unterwasserschiff der RAU IX im Dock geprüft und gegebenenfalls Arbeiten durchgeführt werden.


SEEFALKE: Dank der Unterstützung des Fördervereins konnte im vergangenen Jahr bereits das Unterschiff während eines Dockaufenthalts saniert werden. Nun muss noch das Holzdeck erneuert werden, das zurzeit noch durch einen provisorischen Bodenbelag überdeckt wird. Da die SEEFALKE nun am ehemaligen Liegeplatz der SEUTE DEERN vertäut ist, soll bis zum Saisonstart im Mitte März ein neuer Zugang gebaut werden, über den die Museumsgäste an Bord kommen.

HELMUT: Der Binnenschlepper muss grundsaniert werden, der Schwerpunkt der notwendigen Arbeiten liegt dabei auf dem Rumpf des Schiffes. Auch der Fahrstand muss wieder instandgesetzt werden.

EMMA: Der Oder-Haffkahn ist im Vergleich zu den anderen Schiffen in einem besseren Zustand – und wird seinen Liegeplatz künftig auf der anderen Seite der Brücke finden – dort wo bislang die SEEFALKE lag. Bei einem turnusmäßigen Dockaufenthalt muss das Unterschiff gereinigt und gestrichen werden.


Ich bedanke mich bei dem Pressesprecher des DSM, Thomas Joppig, der mir für meinen Bremerhaven Blog auf meine Fragen sehr detailliert und ausführlich antwortete. Das nenne ich Transparenz! Übrigens: Der Projektmanager des DSM für den geplanten Umbau des Museumshafens (Najade etc) und auch der Zuständige für die Schiffflotte ist Dr. Lars Kröger.


Die nächsten Themen meines Bremerhaven Blogs sind konkret in Vorbereitung bis weit fortgeschritten - für Überraschungen ist gesorgt.


Thomas Damson


AMWASSER fotoblog: Leben im Norden. Leben am Wasser. Von Sonne, Wind und anderem. Professionelle Fotografie. Ehrliche Geschichten. Das echte Leben.





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