Die große Cuxhaven-Fotoreportage.
- Thomas Damson
- 17. Juni
- 11 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Juni

Strandräuber und Piraten waren der Anfang Cuxhavens.
Die Stürme der Nordsee ließen die fragilen Schiffskonstruktionen gestrandeter Schiffe innerhalb weniger Stunden an den Stränden zerschellen und das Aufsammeln ihrer Ladung galt lange als Gewohnheitsrecht und war bei den oft armen Küstenbewohnern sehr beliebt. Auch sonst waren die Einheimischen wenig zimperlich, um an die begehrte Schiffsladung zu gelangen: Sie errichteten in der Dunkelheit falsche Leuchtfeuer, enterten die dann gestrandeten Schiffe, erschlugen die Besatzungen und raubten die Waren. Zusätzlich trieben in der Nordsee die Piraten ihr lukratives Unwesen – beides zum großen Ärger der Hamburger Kaufleute, deren vollbeladene Schiffe meist das Ziel waren. Dieser Ärger muss überaus groß gewesen sein, denn schließlich belagerte Hamburg, ebenfalls wenig zimperlich, bis zum unfreiwilligen Verkauf durch die eher nachlässige Vorbesitzerfamilie, 1394 den Wehrturm Ritzebüttel und die dazu gehörenden Ländereien und bekam die Strandräuberei schließlich in den Griff.

Schloss Ritzbüttel wurde Cuxhavens Anfang.
Aus dem neuen Hamburger Amtssitz entstand mit dem vorgefundenen großen Wehrturm der Vorbesitzer, das spätere Schloss Ritzebüttel samt angegliedertem Offiziersgebäude, dem Amtsgericht sowie einem Gefängnis, für viele Jahrhunderte ein kleines „Regierungsviertel“ der Hamburger Ordnungsmacht. Und mit der Amtmannweide gab es gleich neben dem Wasserturm einen Hinrichtungsplatz, auf dem 1652 die letzte Hinrichtung zum Tode verurteilter stattfand. Drei große Bauernhöfe dicht hinter dem Schloss dienten der Ernährung und Versorgung des Amtmannes und der Bediensteten. Der 1735 bis 1741 angelegte Park mit romantisch bewachsenem Schlossgraben und ungewöhnlicher Kombination heimischer und exotischer Bäume sowie die angrenzende Südersteinstraße haben bis heute ihren Charakter aus dieser Zeit bewahrt. Damals erhöhten sie die Bereitschaft der Hamburger Amtmänner, auf Ritzebüttel zu bleiben. Denn Cuxhaven gab es noch lange nicht, das Leben war eher reich an mangelnder Abwechslung und die Ablenkung der großen Heimatstadt Hamburg lag drei Tagesreisen entfernt.










Nach der Zerstörung im Weltkrieg wurde das Zentrum, manchmal kleinteilig, wiederaufgebaut. Mit interessanten Ergebnissen.






Die Alte Liebe wurde der Beginn Cuxhavens.
Zum Hamburger Amtssitz Ritzebüttel gehörte zunächst ein kleiner Winterhafen, in dem kleine Schiffe versuchten bei schlechtem Wetter Schutz zu finden. Denn die Stürme und Hochwasser der Elbe zerstörten immer wieder die lediglich rudimentär geschützten Anlegestellen am Ufer eines Priels zur Landentwässerung, bis erstmals 1733 ein erhöhter Holzsteg auf drei versenkten Schiffen mit aufgeschüttetem Geröll dazwischen, gebaut wurde. Diese Holzkonstruktion war der Anfang des ersten befestigten Hafens, der den Schiffen auch Schutz vor Stürmen, Hochwasser und dem Winterwetter bot. Das bald erhöhte Bauwerk ermöglichte das Betreten größerer Passagierschiffe. Es entwickelte sich der erste echte Hafen, dem bald weitere Hafenanlagen folgten. Später wurde dem Bauwerk mit dem romantischen Namen Alte Liebe noch etwas touristischer Mythos hinzugefügt. Und fertig war der Beginn des späteren Kurorts Cuxhaven.






Hier am Alten Hafen begann die Zeit der Hafenstadt.





Der alte Fischereihafen.
Es gibt im Cuxhaven der Neuzeit zum einen den Fischereihafen für Touristen. Endlos lange Reihen von Fischhallen, die die einstigen Fischmengen von früher erahnen lassen. Aber jetzt ist und wird es eher freizeitorientiert hergerichtet. Mit passender Gastronomie. die im Innenbereich immer noch viel traditionell Maritimes von der Decke hängend zeigt und mit durchaus vertretbaren Preisen.








Windstärke 10.
Das von außen schlicht wirkende Wrack- und Fischerei Museum hat es sich! In zwei originalen Fischhallen mit der dafür überdachten Ohlorggestraße in der länglichen Museumsmitte untergebracht, lohnt sich der Besuch nicht nur an langen Regentagen. Als zeitgemäße Erlebniswelt konzipiert, kommt keine Langeweile auf. Zeitlich beginnt es nach den schon anfangs hier beschriebenen Cuxhavener Strandräubern. Ach ja: Es gibt auch einen richtigen Spielbereich für Kinder.





Der neue Fischereihafen. Die andere Wirklichkeit. Unromantisch. Wenig Geld. Noch weniger Fisch.

Wo die Hafenbecken so groß sind, dass Hunderte der Fischerboote sich einst zum Abliefern ihres Fangs drängten, ist es ruhig geworden. Zu ruhig. Der Fisch ist weg. Mit dem Kabeljau in der Nordsee gibt es schon die Probleme und mit Dorsch und Hering in der Ostsee. Seit im Frühsommer 2025 selbst die fischfangzertifizierende Organisation MSC erklärte, dass auch der Seelachs in der Nordsee abhandengekommen sei, ist das Entsetzen groß. Allen den Fischbestand schützenden Maßnahmen zum Trotz, hat sich auch diese Fischart in der sich erwärmenden Nordsee schlichtweg nicht mehr vermehrt. Auch die Cuxhavener Vereinigung Kutterfisch.de hat mit ihren neu angeschafften und auf Nachhaltigkeit getrimmten Trawlern sicherlich ein erhebliches Problem.






Das entspannte Lotsenviertel.
Ohne Lotsen geht in der großen Schifffahrt in Küsten- und Hafennähe gar nichts. Die für die Elbschifffahrt wichtigen Lotsen ließen sich im heute noch existierenden Lotsenviertel nieder, zumal sie in der Nähe der Alten Liebe und dem Hafen residieren mussten, um jederzeit kurzfristig verfügbar zu sein. Das in der Neuzeit behutsam renovierte Lotsenviertel wurde der eigentliche Ursprung der Stadt Cuxhaven, das mit dem Amt Ritzebüttel erst 1872 entstand.
Viele Einheimische gehen wegen der beliebten Kaffeerösterei samt angeschlossenem Kaffee- und Sitzplatz draußen, gerne ins Lotsenviertel. Kleine Geschäfte und Kreatives, die es samt Hostel so sonst nicht in der Stadt gibt, ließen die Schillerstraße zum Geheimtipp werden. Wer die andere Wirklichkeit einer kleinen Seestadt sehen möchte, geht ein paar Straßen weiter.






Die alte Sehnsucht nach der Ferne: Steubenhöft und Hapag Hallen.
Mit den Hapaghallen versuchte der Hamburger Reeder Ballin 1889 sehr spät etwas vom riesigen Kuchen des Bremerhavener Auswandererbooms des 19. Jahrhunderts abzubekommen. Da die geringe Elbtiefe die Fahrt mit größeren Schiffen nach Hamburg nicht zuließ, fuhren von den dafür errichteten Hallen der Reederei HAPAG die Schiffe der Hamburger bis in die Sechzigerjahre in das Sehnsuchtsland Amerika und in andere ferne Länder.
Buchen können Sie die Teilnahme an einer Führung beim Förderverein Hapag-Halle Cuxhaven e.V. direkt: https://hapaghalle-cuxhaven.de/de/fuehrungen/
















Die Kugelbake am gefühlten Tor zur Welt ist der nördlichste und windigste Teil Niedersachsens.
Damit hat dieses denkmalgeschützte Seezeichen eine beachtliche Anhängerschaft, die diesen kleinen Streifen trotz seiner gefühlten Einsamkeit im Wind immer wieder besuchen - wegen der Nähe zum Schifffahrtsweg. Die vorgelagerte kleine Düne bietet etwas bis wenig Schutz vor den Elementen und wenn die Ebbe für wenige Stunden eine fast unendlich weite und begehbare Landschaft eröffnet, dann schlagen die Herzen der Muschelsucher und Strandläufer bis unter die Schädeldecke.
Für genussvolle Stunden empfiehlt sich gelegentlich auf jeden Fall etwas wärmere Kleidung oder Windstopper mitzunehmen. Ansonsten helfen die zahlreichen Stände am Besucherparkplatz hier sicherlich gerne aus.
Übrigens gehört der Strand um die Kugelbake zum Teilort Dunen.







Grimmershörner Bucht und Döse
Die bei den Einheimischen beliebte Grimmershörner Bucht gehört zum alten Flecken Döse, der später mit Cuxhaven zur neuen Stadt zusammenwuchs. Die Alte Liebe ist zu Fuß erreichbar, ebenso die Kugelbake. Am gepflegten Rasenstrand ist etwas entspannter und die Bucht selbst bietet Bademöglichkeit unabhängig von Ebbe und Flut. Die Schiffe flanieren vorbei und man ist unter sich. Beliebt ist es laut Legende, morgens mit dem Bademantel aus dem Haus eben kurz ins Wasser zu gehen. Sowas geht nur hier!












Die drei schönsten Kurorte mit den großen Sandstränden mit Ebbe und Flut.
Am Strand von Döse beginnt die Weite.
Er beginnt ab der Kugelbake und das Kurgebiet selbst entwickelte sich mit seinen vielen Ferienwohnungen in eher kleineren Häusern der Siebzigerjahre. Kleine Fischrestaurants und Imbisse sowie Souvenirläden mit Strandspielzeug, getrocknetem Meeresgetier und bunten Steinen sowie parfümierte Sonnencremes boten den Urlaubern praktikables Nordseeflair. Bezahlbare Familienurlaube am nahen Strand ernährten den fleißigen und vielseitigen Stadtteil. Das hat sich kaum geändert.



Cuxhaven Duhnen ist das kleine Westerland Niedersachsens.
Es wurde seit den Sechzigerjahren zur leicht mondänen Niederlassung der Reichen und Schönen - mit italienischem Edelfisch, Schampus und Aperol auf den windgeschützten Tischen und einige Edelboutiquen für seewindtaugliche Strandmode. Alles zu eher anspruchsvollen Preisen. Hier gibt es das hochdekorierte Restaurant Sterneck, das seit 2001 bis heute die meisten Jahre über mindestens einen Michelin Stern erhielt. Und natürlich darf auch Gosch nicht fehlen und die anderen Restaurants sind alle irgendwie edel.










Das gilt leider nicht für die Bebauung für Touristenunterkünfte. Aber alles andere ist wie ein großer Garten, den die Nordsee zu bieten hat. Die Gegend ist gegenüber dem Meeresspiegel etwas höher gelegen und braucht deshalb keine Deiche. Es hat neben seinem umfangreichen Waldgebiet und dem traditionellen Waldcampingplatz auch ein beliebtes Waldfreibad. Der weitläufige Wernerwald reicht fast bis an den Naturstrand mit seinen Salzwiesen und den anderen Pflanzen, die sich ihr Leben im Salzwasser eingerichtet haben. Hier sind die Besucher nah dran allem, was an der Nordseeküste fasziniert, einschließlich der Surfschule, die hier ihren Platz am Rand des Strandkorbereichs findet.














Cuxhavens rätselhafte Anhänglichkeit zu Ehrungen von Kriegsverbrechen, Betrügern und Völkermord.

Vorneweg: Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt seit 2002 besonders Verbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Alle EU-Staaten gehören ihm an.
Worum gehts in Cuxhaven? In Döse haben die Nationalsozialisten 1936 einige Straßen umbenannt und damit Männer geehrt, die sich in den deutschen afrikanischen Kolonien allesamt durch Grausamkeit und blutrünstigen Rassenwahn weltweit führend hervorgetan haben. Warum hängt Cuxhaven bis heute so nachdrücklich an der hohen Ehrung dieser Männer?

Meine kleine Spurensuche.
Lüderitzstraße
KURZFASSUNG: Der umstrittene Bremer Tabakhändler, Gauner und Betrüger Adolf Lüderitz war als Abenteurer auf der Suche nach Reichtum viel unterwegs in der Welt, aber niemals erfolgreich und oft bankrott. Bekannt wurde er wegen seinem betrügerischen Vertrag mit einem ausgesuchten Bewohner Namibias zum Nachteil der dortigen einheimischen Bevölkerung - sein schmutziger Trick ging ein in die Geschichtsbücher als "der Meilenschwindel". Ein Jahr später schickte die deutsche Regierung auf sein drängendes Hilfeersuchen hin erstmals deutsche Kriegsschiffe zum afrikanischen Kontinent, um den erschwindelten Lüderitzschen Privatbesitz als deutsches Gebiet zu schützen.
Dies war der Anfang der deutschen Schutztruppen. Lüderitz als erster Deutscher eröffnete damit die nun folgende blutige Zeit deutscher Kolonial- und Schreckensherrschaft in Afrika, deren moralische Rechtfertigung mit Minderwertigkeit der "anderen Rasse" begründet wurde. Dafür liebten ihn die Nationalsozialisten.
Unter dem Namen des Betrügers Lüderitz werden im Cuxhavener Afrikaviertel in der Lüderitz-Kita Kinder erzogen - und gibt es eine Therapeutische Tagesgruppe Lüderitz.

Lettow-Vorbeck-Straße.
IM KLARTEXT: Lettow-Vorbeck war als Kompaniechef der deutschen Schutztruppe von 15.000 Mann auch am Völkermord an den Stämmen der Herero und der Nama beteiligt, bei dem ungefähr 60.000 Herero unter seiner Mitwirkung getötet wurden.
Lettow-Vorbeck war für die ihn bewundernden Nationalsozialisten ein großes Vorbild. Skrupellos. Grausam. Militärisch damit fast immer erfolgreich und deshalb hochdekoriert. Mit seinem Wirken hinterließ er in den Geschichtsbüchern eine mörderische Spur der Verwüstung, des Leids und der Vernichtung. Ein ihn begleitender Arzt schrieb damals: "Wir waren keine Botschafter der Kultur mehr, unsere Spur bestand vielmehr aus Tod, Plünderungen und zerstörten Dörfern".
Sein militärisches Lebenswerk bestand aus der militärischen Niederschlagung jeglicher Widerstände von Völkern, Gruppen und demokratischen Entwicklungen. Selbst noch zum Ende seiner Militärzeit putschte er gegen die erste demokratische Regierung Deutschlands: die Weimarer Republik.
Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt Verbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Alle EU-Staaten gehören ihm an. Die deutsche Regierung hat den Völkermord an den Herero als solchen offiziell anerkannt. Seit 1999 wurden in Deutschland bis heute ausnahmslos alle nach Lettow-Vorbeck benannten Kasernen Stück für Stück umbenannt. Viele Städte haben die Straßen umbenannt.

Die Stadt Cuxhaven sollte ihre rätselhafte Anhänglichkeit gegenüber der großen Ehrung von Kriegsverbrechern, Mördern und Betrügern beenden.
Cuxhaven hat nach der Nazizeit auch andere Straßen umbenannt. Sie hat dem freundlichen Dichter Lichtenberg einen Platz gegeben. Und sie hat sich an den geschichtsträchtigen Adolf-Hitler-Platz getraut, der jetzt den Namen des fürsorglichen Cuxhavener Amtmanns Kaemmerer trägt und dem die Stadt wirklich zu danken hat. Auch andere Straßen wurden umbenannt. Zumal Cuxhaven niemals etwas mit den Kolonien in Afrika noch mit den durch die Nationalsozialisten im Afrikaviertel geehrten Personen zu tun hatte.
Cuxhaven sollte sich der vielen wertvollen und freundlichen Verstorbenen erinnern, zu denen die höchstmögliche Ehrung einer Stadt besser passen würde: Heinz Erhard, Loriot und Evelyn Hamann würden mir sicherlich zustimmen. Aber die hatten auch Eier in der Hose.
Thomas Damson
Sommer 2025
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