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Der Mythos aus dem Wasser

Vom Bremerhavener Weserdeich aus fällt der in Richtung Nordsee gerichtete Blick auf diese geheimnisvolle Insel, die wie ein Mythos aus dem Wasser zu kommen scheint und die Gedanken des Betrachters in fantasievollen Geschichten schwelgen lässt. Alles ist möglich.

Die Reise zur Insel

Die kleine Reise mit dem Rad führt schon gleich auf der Weserfähre zu ersten urlaubsähnlichen Glücksgefühlen, wenn das Schiff ablegt und der Ort für kurze Zeit austauschbar wird: Sind es die griechischen Inseln, durch die wir treiben oder nähern wir uns über den Rhein ins französische Elsass? Bei geschlossenen Augen sind diese Träume möglich, aber so weit weg müssen wir bei unserer Fahrt über den großen Weserstrom zum Anleger in Blexen glücklicherweise nicht denken.

Der dann folgende Radweg auf der linken Weserseite ist meiner Meinung der schönste, den Bremerhavens Umgebung zu bieten hat.

Sobald nach der Umfahrung des Blexener Fähranlegers der erreichte Weserdeich gnädig die hohen Gebäude der Gewerbebetriebe im Rücken verdeckt, geht die Fahrt auf gut ausgebauten Radweg dicht an der Weser, ihrem Schilf und Vogelschutzgebiet folgend, höchst romantisch weiter Richtung Nordsee.

Bremerhaven zeigt sich von hier mit seiner vielfach gestalteten Silhouette von einer umwerfend schönen und beeindruckenden Seite und auch Langlütjen 1 winkt aus verschiedensten Perspektiven.

Nach dem Verlassen von Blexen zeigt sich die Landschaft der Landseite sehr verführerisch mit harmonisch verklärten Bildern des Landlebens. Es ist wie eine Reise durchs Bilderbuch.


Schon nach etwas mehr als vier Kilometern zeigt sich ein Holzschuppen auf der linken Straßenseite, der von seinem Besitzer zum Ausstellungsträger von gefundenem Strandgut erweitert wurde.

Wenn der Aufgang zum Deich an der richtigen Stelle und vorbei an den Schafen, gefunden ist, steht zuerst ein langer Weg auf dem Deichvorland bevor, der nicht unterschätzt werden sollte. Wer gut zu Fuß ist, kann sich in Küstenmeditation üben. Wer eher schlecht zu Fuß ist, sollte es bei der Besichtigung von weitem belassen.

Der beeindruckend lange Weg vom Deich bis zur Insel verlangt gute Schuhe und etwas Ausdauer. Ein schmaler, begehbarer ehemaliger Damm einer kleinen Schmalspurbahn, die zur Errichtung der Insel im Langlütjer Sand gebaut wurde, bildet am Ende einen auch heute noch ein begehbarer Weg, der aber zumindest bei gutem Wetter und ohne hohen Wasserstand der Weser trockenen Fußes zur Insel führt.

Der Aufgang zum Turm wird gerne als (einziger) Sitzplatz benützt und die Aussicht auf das zurückliegende Ufer der Weser offenbart sich in beeindruckender Schönheit. Wer bisher mitgelesen hat, ahnt auch, warum dieser Platz eher nicht an Überfüllung leidet: Es ist nicht grad um die Ecke und mit dem Auto kommt man ebenfalls nicht hin.

Auf der anderen Seite winkt Bremerhaven dem Turmbesteiger zu - von hier aus gesehen sicherlich eine der schönsten Seestädte überhaupt.

Kleiner Faktencheck Nr. 1

Ein kurzer Blick ins Netz offenbart die zunächst nüchternen Fakten: Die Insel Langlütjen 1 wurde im Verbund mit drei anderen militärischen Verteidigungsmaßnahmen der Weser unter sehr widrigen Umständen vor ungefähr zwei Jahrhunderten sehr aufwändig in den Langlütjer Sand unterbuddelt, dann massiv aufbaut und zuletzt mit schwerem Geschütz bestückt, das aber nie zum Einsatz kam und schließlich wieder abgebaut wurde.


Der schlank hochgewachsene Radarturm, der die Silhouette heute so prägend mitgestaltet, wurde in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts gebaut und dient der Weserlotsenstation in Bremerhaven und in der Deutschen Bucht als umfassender Überblick der Schiffsbewegungen im gesamten Bereich der Wesermündung bis in die Nordsee.


Faktencheck Nr. 2:

Das Netz (WIkipedia) zeigt einige veraltete Luftaufnahmen von 2012, als die Insel noch zugängliche und grade hübsch aufgeräumt worden war, mit ein paar dekorativen Bäumen am Rand, etwas Wiese sowie ein intakter Uferbefestigung und Landeplatz für Boote auf der Wasserseite. Das ist Geschichte.

Denn mittlerweile gleicht die Insel eher dem abenteuerlichen Märchen von verwunschenen Dornröschen im Dornenwald: Die muldenartige Mitte ist von mehreren Meter hohem Dornengestrüpp und einem kleinen Wäldchen absolut undurchdringlich zugewachsen. Ein Durchdringen wäre lediglich mit beachtlichem Maschineneinsatz möglich.


Die unglückliche Veränderung der Insel trifft umso gefährlicher die Weserseitigen Uferbefestigungen und den Landeplatz: Die Gewalt vieler Stürme und hereinbrechender Hammerwellen haben die einst sehr massiv gebaut Uferbefestigung fast komplett aufgerissen und die Steine wild durcheinander hingeworfen. Dazwischen viele große, lochartige und schwer einsehbare Lücken in den darunter liegenden Abgrund des Fundaments.


Eindringliche Warnung Nr. 1

Die Verlegung von Tretminen wäre nicht weniger wirkungsvoll, denn die Chancen auf massive Verletzungen durch gebrochene Beine und Knöchel sind in diesem Inselbereich gewaltig. Bei gleichzeitigem Funkloch auf der Insel und der nahezu unmöglichen Hilfe durch Retter empfiehlt es sich dringend, sich an die Warnung vor Betreten der Insel zu halten.

Anmerkung des Autors: Ich war beim ersten Besuch auf etwas privilegierte Weise, also mit dem Boot, über die Weser auf die Insel gekommen. Der alte Landeplatz ist nur noch in Fragmenten vorhanden und der Landgang wurde aufgrund der hohen Verletzungsgefahr bald abgebrochen. Mein Tipp: So beeindruckend die Sicht auf die Kajen des Containerhafens vom Wasser aus ist, eine Schiffsfahrt ist vielseitiger durch verschiedenartige Ein- und Ausblicke auf die beeindruckende Weser und ihre nahe Mündung in die Nordsee. Die Alternative dazu ist die oben beschriebene Landfahrt per Fahrrad an der Weser entlang, die ich mindestens genauso empfehlen kann. Am besten Beides.

Somit bleibt Langlütjen 1 von der Ferne aus gesehen, ein unerfüllbarer und schöner Traum, dem ich noch einige Fotos hier am Schluss hinzufügen möchte.


Thomas Damson, 2021


AMWASSER fotoblog: Leben im Norden. Leben am Wasser. Von Sonne, Wind und anderem. Professionelle Fotografie. Ehrliche Geschichten. Das echte Leben.


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