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Bremerhavens altes Juwel Lehe und sein Goethequartier
Die wenigsten der durch den letzten Weltkrieg zerstörten Städte Deutschlands bauten sich nach dem Ende des Weltkriegs das alte Stadtbild wieder auf. Denn viele der verantwortlichen Planer freuten sich stattdessen über die einmalig mögliche Neuanlage von breiten bis sehr breiten Straßen für viele bis sehr viele Autos als Zeichen des zukünftigen wirtschaftlichen Wohlstands. Das Auto wurde zum großen Zukunftsversprechen und der Begriff Verkehrsplanung ersetzte die Stadtplanung.
Das verschonte Juwel.
Aber es gab eine Ausnahme: So waren die von Bomben weitgehend verschonten Stadtteile Lehe und das Goetheviertel mit seinen alten Gebäuden aus der Gründerzeit und den altmodisch romantischen Straßen, bis in die späten achtziger Jahre begehrte Orte des urbanen Lebens vieler Berufsgruppen nebeneinander.
Es wurde überall auch wieder gut verdient und es gab an jeder Ecke Handwerker, Dienstleister und Läden des täglichen Bedarfs, in denen es endlich alles gab, was die Menschen der Stadt benötigten.
Bremerhaven wurde eine der angesagtesten Städte des Nordens
Bremerhaven brummte und wuchs schon wieder. Die aus der Bombardierung auferstandene Stadt war spätestens in den Siebzigern eine turbulente Hafenstadt geworden und viele neugierige Gäste kamen eigens aus Hamburg oder Bremen extra angereist, denn durch die zahlreichen amerikanischen Soldaten und Schiffsbesatzungen kochte in Bremerhavens Innenstadt mittlerweile ein heißes Lebensgefühl mit brechend vollen Kneipen, Bars und Liveclubs, viel Musik und Alkohol in allen Varianten, durchsetzt von amerikanischem Slang, den ersten mehrsprachigen Kindern und fröhlichen Müttern. Es gab auch hinreichend Kneipenzoff, und das griffige Auftauchen der resoluten Military Police wurde Legende. Bremerhaven war angesagt und hatte die Kneipendichte einer Metropole wie Berlin. Bremerhaven war eine der angesagtesten Städte des Nordens.
Das zwischenzeitliche Verschwinden des Juwels
Machen wir es kurz mit dem, was dann kam. Die Werftaufträge für große Schiffe verlagerten sich in andere Länder. Der einst größte Fischereihafen des europäischen Kontinents brach durch das Aufkommen der großen Fabrikschiffe und der nachteilig geänderten Fischfangrechte zusammen und zum Schluss verließen schließlich die vielen Geld und Stimmung bringenden Amerikaner ihren wichtigsten Stützpunkt für militärische Seetransporte nach Europa.
Dann kamen die Spekulanten
Der Zusammenbruch traf besonders auch das Bremerhavener Juwel Goetheviertel und Lehe. Und es kamen, wie immer und überall in solchen Zeiten, die Spekulanten: Wohnungen und Häuser wurden, oft für Bruchteile ihres früheren Preises, als Wertanlage international verkauft. Viele Anleger aus aller Welt kauften, erfreut über die fantastisch niedrigen Preise Häuser und Wohnungen, ohne sie je gesehen zu haben oder Bremerhaven zu kennen. Bald hatten einige Immobilien nur noch auf dem Papier Besitzer, aber letztlich niemanden, der sich um die Gebäude kümmerte. Viele dieser anonym gewordenen Häuser verwahrlosten zusehends, und nach einigen Jahren zogen nur noch die hin, die weder Geld noch Ansprüche hatten.
Und wie es immer ist, wenn es sowieso schon schwierig genug ist, kommen dann noch jene, die gerne dahin scheißen, wo es andere vor ihnen auch schon getan haben: Honorige Bürger der Stadt mit Verbindungen nach Bulgarien und Rumänien lockten mit kriminellen Versprechen der deutschen staatlichen Versorgung über Mittelsmänner die Ärmsten der Armen aus der dortigen Landbevölkerung, die oft weder lesen noch schreiben noch andere Sprachen kannten, ins sterbend schöne Goetheviertel.
Zum einen wurden damit 2021 erst gerichtlich festgestellte sechs Millionen Euro an Subventionen erschwindelt. Bisher nicht beziffert sind die Gewinne der halbseidenen Verwalter und Besitzer der Schrottimmobilien, die an diese Bevölkerungsgruppen weiterhin lukrativ subventioniert minderwertigsten Wohnraum vermieten.
Viele Städte und Kommunen kennen dieses Problem mit hierher gelockter und trostlos verarmter Landbevölkerung aus Bulgarien oder Rumänien und Schrottimmobilien – es scheint ein Phänomen unserer Zeit zu sein.
Die Rettung des Juwels.
Bremerhaven hat seit einigen Jahren erfolgreich die Abwärtsbewegung ihres ehemaligen Wunschortes Lehe und Goetheviertel gebremst und sichtbar nachhaltig den Neuanfang zu neuer Attraktivität seines Juwels in die Wege geleitet. Zunächst hatte sich die Stadt das gesetzliche Vorkaufsrecht bei den Immobilien gesichert, um auf diese Weise die Verfügung über diese zu bekommen. Eine mittelfristige Angelegenheit, aber mit Wirkung. Wo nichts mehr zu retten war, wurde und wird abgerissen. Bei den meisten wäre das zu schade.
Das Hilfe kam von selbst
Angefangen hat hier ein Berliner Investor, der sich in der Goethestraße niederließ und als erster anfing, verschiedene Schrottimmobilien zu kaufen und in liebevoller Detailarbeit wieder herzustellen, samt modernen Wohnkonzepten und Techniken. Anfangs etwas belächelt, doch es folgten andere private Investoren und Wohnungsbaugesellschaften, und Bremerhaven kann mittlerweile feststellen:
Das Juwel beginnt wieder zu glänzen
Studenten, Leute vom Hafen, Künstler und Akademiker zogen wieder ein und der Aufbruch ist überall deutlich. Der Autor dieses Textes stellt bei der Durchsicht seiner erst wenigen Jahre alten Bilder fest, dass die meisten der ramponierten Häuser mittlerweile saniert wurden.
Anmerkungen des Autors: Ab 2018 begann ich in Bremerhaven zu fotografieren und zog schließlich im Januar 2020 nach Bremerhaven. Die Bildauswahl entspricht meiner persönlichen Sichtweise des Goethequartiers und vielleicht ist es nicht zu übersehen: Ich bin eher Optimist und ein Glas ist bei mir normalerweise halbvoll. Und, ja: Es gibt noch einiges zu tun. Dies erspart es uns immerhin, in Angst vor Langeweile leben zu müssen.
Im zweiten und dritten Teil widme ich mich der Hafenstraße und Lehe.
Thomas Damson, im Mai 2022
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