Der kleine Flecken Neuhaus (so der offizielle Namen) an einem nur bei Flut befahrbarem Nebenarm der Oste exisitiert seit über 600 Jahren und birgt einen eigenwilligen historischen Binnenhafen. Trotzdem an der Hafenanlage vieles auf dem neuesten Stand ist: Hier landen keine eiligen Millionäre mit dem Hubschrauben an den Decks ihrer Yachten, sondern hier fährt man raus, wenn es der Wasserstand zulässt. Man hat hier Zeit.



Die blitzblanken historischen Schiffe aus einer sichtbar anderen Zeit heißen einfach Bärbel, Hans und Elke, sie sind liebevoll gepflegt und geduldig. Denn Ebbe gräbt sich hier tief in den Hafen – also bleibt dann bis zur Flut nur die Erinnerung an andere Dinge, die es sonst noch zu tun gibt.



Das ähnlich aussehende Vorgängerschiff von Bärbel, einer alten und umgebauten Hamburger Hafenbarkasse, versank eines Winters still im Hafenbecken, nachdem an sehr kalten Wintertagen ein massiver und andauernder Regen an Deck zu immer größeren und schwereren Eisaufbauten gefror und das kleine Schiff schließlich durch sein stark gewachsenes Eigengewicht der Schwerkraft nachgab und an den Grund des Hafenbeckens sank. Es wurde wieder gehoben und fuhr dann noch einige Sommer feiernde Freizeitgäste klaglos über die Oste bis hin zum Sperrwerk in die Elbe (der Autor selbst feierte seinen 30. Geburtstag damit auf der Oste).

Zu einem historischen Hafen gehört auch ein historischer Deich mit ebenfalls historischer Bebauung. Mir sind in der Region keine Orte bekannt, die ein solch langes Stück Bebauung der innerörtlichen Deichkrone vorweisen können. Wie die darauf gebauten Häuser ist der Schutzwall eingefasst in dunkelrotem Klinker, mit gemauerten Aufgängen und kleinen Flecken kurzgehaltener Deichwiese dazwischen. Die eine oder andere Bank steht noch von früher vor den Häusern, die zum Hafen hin ihre Gärten verstecken.






Wer auf dem öffentlichen Weg auf der Deichkrone direkt an den Häusern entlang geht, bekommt eine Vorstellung von früheren Überflutungen der Region und warum Häuser auf einem Hügel oder Deich gebaut wurden. Natürlich zeigt der Flecken mit seinen 1100 Einwohnern auch noch andere Bebauungen aus der Vergangenheit und in vielen Bereichen sehr gepflegte und blankgefahrene Pflastersteinstraßen. Und auch eher zerfledderte Zeitgeschichte – wie überall.
In Neuhaus geht es auch ruhig zu, denn in dieses Kleinod kommt nur, wer hier hinmöchte.




Die Kneipe „Zum Nothafen“ sind schon lange geschlossen, aber es gedeihen dafür zwei vielseitige und interessante Gastronomiebetriebe.


Schon viele Generationen am Ort ist das Brauhaus Alt Neuhaus, das seit einigen Jahren mit einer eigenen Hausbrauerei beeindruckt und einer an der Küste seit vielen Generationen bekannten Spirituosenbrennerei Ulex. Früher hatten die Getränke Namen wie Lumumba - heute sind es Gurkenschnaps, aber auch wieder Absynth, Whiskey, Schnaps und oder die leicht bläulich gefärbte, milde Gin Kreation. Die Geschmäcker der Kunden sind vielfältiger geworden und die Kreativität der Brennerei ist immer vorneweg. In dem im alten Stil eingerichteten Kontor beherbergt sich der Schnapsladen, stilvoll eingerichtet wie in einem belebten Museum. Und über der gleich nebenan befindlichen, plüschig gemütlichen Kneipe mit dem sehr süffigen eigenen Bier residieren Feriengäste übrigens in einer neu hergerichteten Ferienwohnung mit eigenem Zugang in die gemütliche Bierschwämme. Wenn grade keine Pandemie ist, brummt der Laden. Ein durchaus verständlicher Selbstläufer, auch im Onlinehandel kommen sie kaum nach mit dem verschicken.

Ein paar hundert Meter weiter hat die gelernte Hotelfachfrau Wiebke tum Suden den ehemaligen kleinen Lebensmittelladen ihrer Eltern übernommen und als Wiebkes Klönstuv ein schmuckes Kaffee mit Gartenbewirtschaftung draus gemacht. Gemütlich eingerichtet, haben die Wände genau die gleiche grüne Farbe wie ihre Augen (ich wurde von der charmanten Rothaarigen gleich darauf hingewiesen) und die zahlreichen und selbstgebackenen norddeutschen Sahnetorten sind Legende. Nebenher ist der Laden eine Postagentur, verkauft Zeitungen und in einer kleinen Ecke finden sich die notwendigsten Lebensmittel einschließlich Gemüse aus den Gärten der Nachbarorte. Im Eingangsbereich geht es noch etwas gedrängt zu, aber gerade dies macht die Einzigartigkeit des Ortes aus und wer das Küstenleben abseits mit seinen Menschen kennenlernen möchte, kann hier etwas für seine Hüftgoldpflege tun. Denn das eigentliche Kaffee mit seiner heimeligen Einrichtung erlaubt nebenher direkten Einblick ins Dorfleben. Wer Hüftgold nicht so schätzt, dem sei zum Schluss Wiebkes Fahrradverleih ans Herz gelegt. Es gibt einige Orte in der Welt, die sind ein eigener Mikrokosmos in ihrer Vielfalt und Einzigartigkeit . Und die Klönstuv gehört eindeutig dazu.

Dieser subjektive Blogbeitrag über Neuhaus hat nicht den Anspruch der Vollkommenheit. Die Fotogalerie ist bei zwei Besuchen entstanden und ich habe noch andere Fotos aus der Umgebung in eine separate Galerie eingefügt. Es gibt noch viele andere Aspekte und Fotos, die auch zu erwähnen wären – das geschieht sicherlich ein andermal. Eine schöne Ferienwohnung dafür kenne ich schon. Und bei Wiebke gibt’s dann Frühstück – für mich ohne Torte bitte.
Brennerei Ulex und Brauhaus Alt Neuhaus: www.ulex.de
Wiebkes Klönstuv: www.wiebkes-kloenstuv.de
Thomas Damson
AMWASSER fotoblog: Leben im Norden. Leben am Wasser. Von Sonne, Wind und anderem. Professionelle Fotografie. Ehrliche Geschichten. Das echte Leben.
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